Ein Blick in die Geschichte Wangerooges

Leben mit den Gewalten des Meeres

 

Entstanden ist Wangerooge, ebenso wie die anderen west- und ostfriesischen Inseln, als Aufschüttung des Meeres: Der Geestkern liegt in ca. 15 Metern unter der Insel, die selbst aus angespültem Sand und Schlick besteht. Als sich nach der letzten Eiszeit vor ca. 5.000 Jahren das Nordseebecken füllte, weil das Eis dahinschmolz und sich gleichzeitig die Erdoberfläche absenkte, wurde das Land bis an den heutigen Geestrand überflutet. Dabei bildete sich das flache Küstengewässer, das sich nach Norden hin allmählich, vor der heutige Inselreihe aber dann abrupt auf 20 Meter und mehr absenkt. Auf diesem Küstensockel schwemmte das Meer nach und nach ungeheure Sandmengen an, die bei Ebbe trocken fielen und mit der Flut überschwemmt wurden. Während der Ebbe begann allmählich die Dünenbildung. Kaum hatte sich die erste Düne entwickelt, siedelten sich auch schon Pflanzen an: vor allem Strandhafer bzw. -roggen, die mit ihren Wurzeln den Sand banden. Sicherlich waren die Nordseeinseln schon um die Zeitenwende bewohnt, auch wenn dafür nur wenige Zeugnisse existieren. Sie boten den Menschen (Chauken waren es wohl auf Wangerooge) hochgelegene Wohnplätze, Weiden fürs Vieh, vor allem aber fangreiche Fischgründe und ertragreiche Muschelbänke. Auch die Römer waren um diese Zeit auf Wangerooge: 1597 fand man römische Münzen und Aschenurnen. Vermutlich stammten sie von gelandeten oder gestrandeten Schiffen aus der Flotte des Germanicus Drusus.

Die Chauken wurden von den Sachsen um die Mitte des 5. Jahrhunderts unterworfen, die Friesen als Seefahrer und Seeräuber rückten aus den Emsgauen nach und besiedelten die menschenarmen Marschen. Wangerooge wurde eine Frieseninsel.

 

Erstmals 1217 urkundlich erwähnt

 

In den Urkunden taucht Wangerooge erstmals 1217 auf, als die Rüstringer Friesen aus der Jadegegend zum Kreuzzug aufbrachen und mit rund 100 Schiffen an der Insel vorbeisegelten.

Der Name Wangerooge findet sich in einer frühen Schreibform aber erst 1327, als der Graf Wilhelm von Holland sich bei den Ältesten des Gaues beschwerte, dass an einer Verschwörung gegen ihn auch der Schiffer Thethardus, "opidani in Wangeroch insule" teilgenommen habe. Damals dürfte der Ort etwa tausend Meter nordwestlich von der heutigen Nordwestecke Wangerooges gelegen haben. Als um das Jahr 1400 der Hering aus unerklärlichen Gründen von der Ost- in die Nordsee wechselte, blühte der Fischfang vor allem um Helgoland mächtig auf, wovon zweifellos auch die Fischer auf Wangerooge profitierten.

In dieser Zeit wechselten auch berüchtigte Seeräuber wie Klaus Störtebeker in die Nordsee über. Sie fanden Unterschlupf bei Häuptling Edo Wiemken von Rüstringen, der von seinem sicheren Jadehafen aus Bremer, Holländer und andere Seefahrer angriff. Die Holländer überfielen selbst zweimal die Insel Wangerooge, zerstörten die Kirche und verwüsteten das Dorf. Weil eine markante Landmarke fehlte, entstand ein Turm an der damaligen Ostspitze der Insel (1597 - 1602): Die Seefahrer konnten sich daran sicher orientieren. Er diente als Gottesraum, aber auch als Lager und bot Wohnungen. Und auch als Kaserne oder Gefängnis soll er vorübergehend genutzt worden sein. Nach und nach wurde der Turm mit einer Spitze ausgestattet, die 48 Glasfenster erhielt, durch die das Licht der mit Tran oder Rüböl befeuerten Lampen nach allen Seiten hin abstrahlte und den Seefahrern Orientierung bot. Es blieb freilich nicht aus, dass die Turmspitze ausbrannte ...

 

Beständiger Kampf mit den Naturgewalten

 

Als der Turm verfallen war und die Häuser zunehmend von den Nordweststürmen bedroht wurden, verlegten sie das Dorf zur damaligen Ostspitze der Insel und gruppierten es um die alte Turmkirche. Unberührt von den Kriegshandlungen überstanden die Menschen dort den Dreißigjährigen Krieg. Als nachher die Zeiten freilich friedlicher wurden, ging auf der Insel der Wohlstand zurück. Die Lage verschlechterte sich weiter, als die Wangerooger durch die Sturmflut 1730 viel Weideland verloren. Da war es kaum erstaunlich, das die Menschen nur zu gerne auf das Strandgut gestrandeter Schiffe zurückgriffen und es schnell beiseite schafften, bevor der Strandvogt seine Hand darauf legen konnte. In die Mitte des 18. Jahrhunderts fallen auch die ersten Anstrengungen, die Insel gegen die Gewalt des Meeres zu schützen. Strohdocken sollten den Treibsand binden. Auch wurden vermehrt Sanddorn, Weiden, Pappeln und Buschwerk gesetzt - freilich ohne nachhaltigen Erfolg: Die See spülte die Befestigungen hinweg, der Niedergang der Insel setzte sich fort, immer weniger Menschen siedelten auf Wangerooge. 1775 waren es gerade noch 150.

 

Auf dem Weg zum Badeort

 

Erste Anstrengungen zum Aufbau eines Badebetriebes, wohl beflügelt durch die Ausweisung Norderneys zum ersten Nordseebad im Jahre 1798, machten die Wangerooger Anfang des 19. Jahrhunderts. Eine Badekutsche und ein Zelt wurden bereitgestellt. Rund ein Dutzend Hauswirte erklärten sich bereit, in ihren Häusern Badegäste zu beherbergen. Mit den Badegästen kam nicht nur ein beständig wachsender Wohlstand auf die Insel - der Badebetrieb hatte auch ein beständiges Wachstum der Insel zur Folge. Das heutige Alte Dorf entstand um den alten Leuchtturm herum, der 1856 als erstes Bauwerk an diesem Ort fertig gestellt und in Betrieb genommen wurde. Um ihn herum entstanden die ersten Wohnhäuser auf Warften, dazwischen der eingegrünte Dorfplatz. Die ältesten, heute noch erhaltenen Gebäude erinnern in ihrem einfachen Stil an Fischerhäuser. Entstanden ist die erste Bebauung nach dem Alten Leuchtturm im ausklingenden 19. Jahrhundert. Vom Dorfplatz aus hat sich die Bebauung immer weiter vorgeschoben - zunächst einmal nach Norden hin, dann aber auch in die anderen Himmelsrichtungen.

 

Zedeliusstraße als Rückgrat der Gemeinde

 

Das Rückgrat der allmählich wachsenden Gemeinde bildete die Zedeliusstraße, benannt nach dem oldenburgischen Amtshauptmann Zedelius, der von 1889 bis 1900 dem Amt Jever vorstand. Er hat den Aufstieg des Seebades Wangerooge in besonderer Weise gefördert. Im Laufe der Jahrzehnte kamen weitere markante Bauwerke hinzu. Zu ihnen zählten zweifellos die stolzen Hotelbauten an der Zedeliusstraße sowie an der Strandpromenade, die Evangelische Nicolai-Kirche (1866 zunächst als Kapelle am Dorfplatz errichtet und 1910 zur jetzigen Kirche ausgebaut; St. Nicolai ist der Schutzpatron der Seefahrer, deshalb wurden viele Kirchen an der ganzen Nordseeküste nach ihm benannt) sowie die St. Willehad-Kirche (benannt nach einem von Karl dem Großen eingesetzten Missionsbischof - 1963 errichtet, nachdem das 1901 an der Schulstraße errichtete St. Willehad-Stift den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen war). Eine Unterbrechung des Aufschwungs bedeuteten die beiden Weltkriege des vorigen Jahrhunderts. Weil die Insel als militärischer Schutz insbesondere für die Einfahrt zum Wilhelmshavener Hafen diente, wurde sie bei Bombenangriffen noch im Frühjahr 1945 schwer beschädigt. Viele historische Bauwerke gingen dabei verloren. Gleichwohl ging die Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg mutig an den Wiederaufbau: Beschädigte Gebäude wurden restauriert oder wieder aufgebaut, neue wie die Kurverwaltung kamen hinzu. Gleichzeitig entdeckten die Urlauber gerade in den 50er und 60er Jahren Wangerooge neu als Ferienziel: In dieser Zeit entstanden die Grundlagen für den aufstrebenden Bade- und Urlaubsort, den viele Familien schon in fortgesetzten Generationen alljährlich gerne ansteuern, um hier die schönsten Tage des Jahres zu verbringen.